Sicherheit

Heinrich Neuhaus hat in seinem Büchlein „Die Kunst des Klavierspiels“ (Leipzig, 1969) ein Kapitel „Über die Sicherheit als Grundlage der Freiheit“ geschrieben. Diese Dinge können gar nicht besser ausgedrückt werden:

Viele unerfahrene Klavierspieler leiden unter einer gewissen Scheu, einer „Fortepianophobie“, die sich darin äußert, daß die Betreffenden häufig falsche Töne greifen, überflüssige Bewegungen machen, beim geringsten Anlaß gehemmt sind, das natürliche Gewicht der Hand und des Arms nicht auszunutzen verstehen (also die Hand „in der Luft“ hängend halten), kurz, daß sie alle Anzeichen der Unsicherheit … an den Tag legen.

Heinrich Neuhaus: Die Kunst des Klavierspiels, 1969, s. 93

Diese Unsicherheit sei „immer in erster Linie psychischen Ursprungs“, entweder auf die Musik bezogen oder als allgemeine Charaktereigenschaft, darum müsse die technische Schulung immer mit der persönlichen Erziehung und musikalischen Bildung des Schülers zusammenwirken. Kein isoliertes „Büffeln“ der Technik, kein endloses Bewegungstraining, das „aus einem Menschen eine Maschine machen“ will.

Mit einem Wort: je größer die musikalische Sicherheit, desto geringer die technische Unsicherheit.

Heinrich Neuhaus: Die Kunst des Klavierspiels, 1969, s. 94

Lernen und üben

Nach Neuhaus sei die grundlegende Sicherheit beim Spiel zu erreichen durch

Langsam, konzentriert und stark spielen: die Finger werden gekräftigt, der Geist kann den Tönen folgen und die Musik im Gedächtnis behalten. Der ganze Arm muss dabei von der Schulter bis zur Hand völlig frei und gelöst sein und darf nicht fest werden, sondern hängt ruhig.

Nur notwendige Bewegungen machen, keine Übertreibungen. Strengste Ökonomie als Grundsatz des konzentrierten Lernens.

Lerne ein paar Takte auswendig, bevor du sie spielst. Lies die Noten und klatsche den Rhythmus, stelle dir die Töne vor, versuche sie zu singen. Schau dir an, welche Lautstärke gemeint ist, welches Gefühl ausgedrückt wird, wie schnell oder langsam die Melodie sein möchte. Singe sie ein paar Mal in Gedanken. Spiele mit den Fingern auf dem Knie. Wenn du eine einigermaßen gute Vorstellung von der Melodie hast, spiele sie auf dem Klavier. Du wirst sofort merken, ob dein Spiel so klingt, wie du es dir in Gedanken vorgestellt hast. Falls nicht, übe die Stelle so lange, bis sie so klingt, wie sie sein soll.

Das Gedächtnis zu trainieren ist für einen Musiker 1000 Mal wichtiger als Lesen zu üben. Lesen ist zwar nötig, um ein neues Stück kennen zu lernen. Beim Musizieren selber stört es aber nur. Spiele ein neues Stück ruhig erst mal nach Noten, um es kennen zu lernen. Aber dann drehe so bald wie möglich die Noten um und versuche, aus dem Gedächtnis zu spielen. Du lernst viel schneller und behältst alles viel besser.

Wenn du Lampenfieber vor einem Konzert hast, kneife nicht, sondern übe das Vorspielen so oft wie möglich zu Hause in der Familie, vor Freunden, wenn Besuch da ist, in der Schule. Je öfter du vorspielst, desto sicherer wirst du. Konzentriere dich immer ganz auf die Musik, und du wirst merken, dass die Menschen drumherum gar nicht mehr so wichtig sind.

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