Pentatonik

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Was ist Pentatonik?

Penta (griechisch) bedeutet “fünf”. Eine pentatonische Reihe ist also eine “Fünftonreihe”, eine Tonleiter aus 5 Tönen. Pentatonik klingt gut, geht leicht ins Ohr und ist schon seit etwa 3000 v. Chr. in vielen Kulturen zu finden. Viele Kinderlieder basieren auf der Pentatonik. Auch die Werbung nutzt die eingängige Pentatonik, zum Beispiel in “Haribo macht Kinder froh”.

Es hat sich eingebürgert, in musiktheoretischen Erklärungen die Pentatonik vom Dur-Moll-System ausgehend zu definieren. Der Ton C wird als Referenz- und Anfangston zugrunde gelegt und alle Tonabstände werden in die Oktave zwischen C und C übertragen. Der Grund ist naheliegend: in der Popularmusik, wie sie sich aus dem Blues entwickelt hat, wird die Pentatonik zu Stücken in Dur oder Moll gespielt, darum müssen beide Systeme irgendwie zusammen gebracht werden.

Bedenkt man jedoch, dass pentatonische Skalen wesentlich älter sind als das heutige Dur-Moll-System, ist diese Vorgehensweise weder historisch korrekt noch ist sie hilfreich für jüngere Kinder. Denn Kinder im Vorschulalter hören ganz anders als Erwachsene.

Kinder im vorschulpflichtigen Alter können noch keine Harmonien erleben.

Helmut Moog: Das Musikerleben des vorschulpflichtigen Kindes, Mainz, 1968, S. 120

Da sie noch keine harmonischen Beziehungen hören, erkennen sie also auch nicht Dur oder Moll oder den Bezug auf einen Grundton. Stattdessen nehmen sie Musik vorwiegend „sinnenhaft-klanglich“ [Moog] wahr, wobei obertonreiche Klänge Vorrang haben. Viele Kinder können den Klangfarbreichtum einer Singstimme oder eines Instrumentes viel feiner wahrnehmen als Erwachsene.

Darum ist es im Unterricht mit jüngeren Kinder sinnvoller, mit dem melodischen Erleben zu beginnen als mit dem harmonischen. Das bedeutet: mit Liedern. Noch präziser: mit relativ harmoniefreien Melodien, wie sie in den pentatonischen Tonräumen zu finden sind.

Auch die Liedbegleitung des Lehrers sollte dies berücksichtigen und auch mal mit anderen Begleitungen experimentieren als nur Standard-Begleitungen wie Bordun oder I-V zu benutzen. Pentatonik lässt sich sehr gut mit freien linearen Stimmführungen und anderen modalen Satztechniken begleiten. Viele Kinder im Vor- und Grundschulalter reagieren außerdem verwirrt, wenn ihr Lied, das sie zu Hause immer alleine gespielt haben, und das in ihren Ohren ein vollständiges musikalisches Ganzes ist, plötzlich mit tiefen Klavierakkorden begleitet wird (wodurch ja auch die Obertöne verstärkt werden) – sie erkennen ihr Lied in dem vollen „Klangbrei“ nicht mehr wieder. Besteht die Begleitung dagegen aus einer einfachen, klaren Linie auf- oder abwärts, wird es akustisch nicht so zugedeckt.

Pentatonische Tonräume

Auf dem Klavier fallen die Gruppierungen der schwarzen „Zwillinge“ und „Drillinge“ sofort ins Auge. Ein Drilling und ein Zwilling ergeben zusammen einen Tonraum aus fünf Tönen, den “Pentaton” oder „pentatonischen Tonraum“.

Die Tonräume können auch noch kleiner sein, denn auch bereits 2 Töne ergeben schon einen Tonraum. Ich beginne mit jungen Anfängern meist mit der Kuckucksterz, da sie leicht nachzusingen und auf dem Klavier leicht zu finden ist. Kommt noch die zweite Zwillingstaste dazu, ergibt sich die auf der ganzen Welt bekannte Leiermelodik, die aus den 3 Tönen LA, SO und MI besteht. Mit den Drillingstasten, einer Gruppe aus 3 Ganztönen, kann man Drillingslieder spielen, wovon es viel mehr gibt, als man vermutet.

Verbindet man Zwilling und Drilling zu einem Fünftonraum (Pentaton), gibt es verschiedene Möglichkeiten der Anordnung, die Modus genannt werden. Diese 5 Modi sind allerdings eher eine theoretische Konstruktion, da pentatonische Melodien keinen Grundton haben und eigentlich auf jedem beliebigen Ton enden können, ohne dass es wesentlich anders klingt.

  • DO-Pentaton = DO RE MI – SO LA (häufigster Modus)
  • RE-Pentaton = RE MI – SO LA – DO
  • MI-Pentaton = MI – SO LA – DO RE
  • SO-Pentaton = SO LA – DO RE MI (entspricht einem umgekehrten DO-Pentaton, wenn die Melodie auf DO endet)
  • LA-Pentaton = LA – DO RE MI – SO (ähnlich unserem Moll)

Bei freien Improvisationen und Klangmalereien verschwimmt diese Orientierung noch viel mehr als bei Liedern, denn alle Töne klingen gleichwertig und man kann mit jedem beliebigen Ton beginnen oder aufhören.

Pentatonik in der Volks- und Popularmusik

Die Pentatonik ist seit über 3000 Jahren die melodische Grundlage der Musik vieler indigener und anderer Kulturen in Asien, Afrika, Amerika und Europa. Sie ist in vielen populären Stilrichtungen unverzichtbar, so im Blues, im Gospel und im Jazz, wo viele Melodien pentatonisch sind und pentatonische Tonleitern mit Vorliebe für die Improvisation benutzt werden. Der Künstler Bobby McFerrin demonstriert auf einem Workshop die Allgemeingültigkeit und Kraft der Pentatonik:

Pentatonik in der Kunstmusik

In der Epoche der Romantik erwachte das Interesse an Volksmusik und außereuropäischer Musik, was dazu führte, dass mehrere Komponisten die Pentatonik in ihren Kompositionen verwendeten. Beispiele: das Thema des langsamen Satzes aus der Sinfonie Nr. 9 („Aus der Neuen Welt“) von Antonín Dvořák oder das Thema der Morgenstimmung aus der Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg:

In der Spätromantik und im Impressionismus sowie in vielen Werken des 20. Jahrhunderts wurde die Pentatonik auch als Klangeffekt zur Verfremdung oder Bereicherung eingesetzt. Beispiele:

  • Au bord d’une source von Franz Liszt
  • Etude op. 10 Nr. 5 in Ges-Dur von Frédéric Chopin, bei der die rechte Hand nur auf schwarzen Tasten spielt. Deshalb nennt man sie auch die „Etüde auf schwarzen Tasten“.
  • In den Opern Madame Butterfly und Turandot von Giacomo Puccini
  • Mehrere Klavierstücke von Claude Debussy wie die Arabesque Nr. 1, Estampes, La cathedrale engloutie.
  • Stücke aus der Märchenmusik Ma Mère l’Oye von Maurice Ravel,
  • Mehrere Stücke im Mikrokosmos von Béla Bartók
  • Die Nachtigall von Igor Strawinsky

Pentatonische Lieder

Lieder auf der Kuckucksterz

Lieder in Leiermelodik

Lieder auf Drillingen

Lieder im Do-Pentaton

Lieder im La-Pentaton

  • Tanzt das Mäuslein
  • Leuchte, leuchte, kleine Laterne
  • Ach bittrer Winter (Anfang)
  • Blues and Trouble
  • This ol`Hammer
  • St. James Infirmary Blues

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