Noten lernen mit dem Notenkompass

Inhaltsverzeichnis

Warum Noten lernen?

Wenn man einen geschriebenen Text liest, stellt man sich während des Lesens etwas vor, es entstehen innere Bilder, Gefühle und Geschichten. Sonst wäre es ja uninteressant, überhaupt etwas zu lesen. Genau so sollen Noten gelesen werden. Und genau so wie das Lesen von Text muss man das Lesen von Noten lernen und üben! Es gibt keinen anderen Weg, keine Abkürzung. Man muss es lernen.

Manche Schüler werden sich fragen: „Warum soll ich Noten lernen, ich spiele doch alles nach Gehör!“ Lies hier mehr über die Vorteile und Nachteile der auditiven Methode.

Noten lesen können bedeutet, dass beim Lesen eines Notentextes automatisch eine innere musikalische Tonvorstellung ausgelöst wird, die man dann mit der Stimme oder dem Instrument ausführt und mit dem Gehör überprüft.

Noten lesen können bedeutet nicht, Notensymbole mit bestimmten Tasten zu verknüpfen und dann ohne innere musikalische Vorstellung nur Finger und Tasten zu betätigen. So entsteht keine Musik!

Du mußt es so weit bringen, daß du eine Musik auf dem Papier verstehst.

Robert Schumann: Musikalische Haus- und Lebensregeln. https://www.schumann-zwickau.de/de/04/robert/haus_lebensregeln.php

Um richtig Noten lesen zu können, braucht es eine innere musikalische Tonvorstellung, auch wenn sie noch nicht weit entwickelt ist. Das gelingt mit bekannten Melodien am besten. Die Noten müssen als Symbolschrift für bereits bekannte Tonfolgen verstanden werden. Es nützt nichts, etwas lesen zu wollen, was man überhaupt nicht versteht. Dabei kommt nichts Rechtes heraus. Wie soll man eine Vorstellung von Musik bekommen, wenn es heißt: „Wenn du dieses Symbol siehst, musst du diese Taste drücken“. Wir sind doch kein Computer! Wir sind lebendige Wesen, die lebendige Musik spielen wollen, und dafür brauchen wir keinen komplizierten Rechenvorgang, sondern Gehör, Gefühl und Vorstellungskraft!

Vom Blatt spielen gelingt umso besser, wenn die Musik bereits bekannt ist oder zumindest deren Stilrichtung, so dass der Musiker eher voraussehen kann, was als nächstes kommt.

Manfred Spitzer: Musik im Kopf. Hören, Musizieren, Verstehen und Erleben im neuronalen Netzwerk. Stuttgart, 2002, Seite 304

Vor dem Lesen von Noten muss daher das Verständnis von Musik und ihrer Sprache kommen. Das geht nur über das Hören und Singen von Musik, wodurch die Fähigkeit trainiert wird, sich Töne innerlich vorzustellen. Dann wird geübt, Bewegungsrichtungen zu hören und sie später in den Noten wieder zu erkennen. Dabei ist räumliches Denken und genaues Sehen gefordert. Dann wird geklärt, dass es 7 verschiedene Oktavlagen auf dem Klavier gibt, die nicht verwechselt werden dürfen. Dann werden immer mehr Feinheiten wie Intervalle, Tongruppen, Atembögen kennen gelernt und unterschieden. Am Schluss wird vom Blatt gespielt, erst einzeln, dann mit beiden Händen gleichzeitig unisono und sehr viel später auch mehrstimmig.

Erst muss die Musik in dir sein, bevor du sie spielst. Höre viele Lieder und singe, so oft du kannst. Lieder sind das Vorbild für viele Kompositionen. Wenn möglich, singe im Chor! Eine Seite, wo du viele schön gesungene Lieder hören kannst, ist Liederprojekt.org.

Höre fleißig auf alle Volkslieder; sie sind eine Fundgrube der schönsten Melodien und öffnen dir den Blick in den Charakter der verschiedenen Nationen.

Robert Schumann. Quelle: https://www.schumann-zwickau.de/de/04/robert/haus_lebensregeln.php

In den allerersten Unterrichtsstunden spielt das Sehen (Anm: Lesen) naturgemäß noch keine Rolle, da der Schüler noch keine Noten lesen kann. In diesem Stadium gelten somit die Begriffe Hören und Spielen. Sobald der Schüler aber das Notensystem beherrscht, lässt sich die Formel Sehen – Hören – Spielen realisieren. Größte Aufmerksamkeit muss dabei der Entwicklung des Hörens geschenkt werden, dem sinnvollen und um Ausdruck bemühten Singen von Melodien und deren Auffinden auf der Tastatur in verschiedenen Tonarten.

Russische Klavierschule, Band 1, SIK 2352, Methodische Hinweise

Der Notenkompass

Damit du immer weißt, wo es lang geht, führt dich der Notenkompass durch die Musiklehre. Für die 8 Himmelsrichtungen brauchst du viel Geduld und Zeit. Du kannst sie nicht alle in einem Rutsch absegeln, sondern musst mehrere Runden (Törns) drehen, dabei schraubst du dich aber bei jedem Törn immer weiter nach oben, und lernst und weißt und kannst jedes Mal mehr.

Es lohnt sich auf jeden Fall, denn es eröffnet dir eine Welt voller Musik!

1. Nord: Parameter

Lerne, die wichtigsten Eigenschaften der Musik hörend zu unterscheiden und sie mit den Händen zu zeigen, zu benennen oder aufzumalen: Hoch und tief (Tonhöhe), Laut und leise (Dynamik), schnell und langsam (Tempo), kurz und lang (Rhythmus), spitz und weich (Artikulation), Dur und Moll (Klangfarbe). All diese Dinge kann man aus den Noten herauslesen, darum solltest du die Zeichen lernen.

2. Nordost: Rhythmus und Takt

Einen Rhythmus nach zu klatschen ist nicht so schwer. Aber kennst du auch den Unterschied zwischen Rhythmussprache und Notenwerten? Und weißt du, wie ein Takt gebildet wird?

3. Ost: Stammtöne

Die 7 Stammtöne sind die Buchstaben, mit denen Musik aufgeschrieben wird. Aber die Buchstaben allein sagen noch nichts über die Musik aus. Erst die Noten verraten, in welcher Oktave, wie laut, mit welcher Artikulation, mit welchem Ausdruck, wie lang, in welchem Rhythmus, an welcher Stelle im Takt oder in welcher Notenfigur ein Ton erklingen soll. Trotzdem sollst du die Stammtöne gründlich auswendig lernen, bis du dir im Kopf vorstellen kannst, auf den Stammtönen wie auf einer Treppe auf und ab zu gehen.

  • Informationen und Hausaufgaben findest du unter Stammtöne.

4. Südost: Tonbewegungen

Die Bewegung von einem Ton zum nächsten kann ein Schritt nach oben sein oder ein Schritt nach unten, eine Tonwiederholung oder ein Tonsprung.

5. Süd: Lagen

Die 7 Stammtöne wiederholen sich 7 1/4 mal auf dem Klavier. Damit man sie nicht verwechselt, muss man wissen, in welcher Oktavlage sie sind und wie sie dann heißen.

Quintlagen sind Fünftonräume = 5 Finger liegen nebeneinander auf den Tasten. Wenn du ein Lied im Fünftonraum gelernt hast, versuche immer, es auch von verschiedenen anderen Tönen zu spielen. Und zwar mit jeder Hand! Höre dabei immer genau auf die Töne. Vielleicht musst du manchmal eine schwarze Taste spielen, wenn ein Ton „nicht richtig“ klingt.

Informationen und Aufgaben findest du unter

6. Südwest: Intervalle

Ein Intervall ist der Abstand zwischen zwei Tönen. Auch eine Tonwiederholung ist ein Intervall. Die Intervalle haben lateinische Namen, die dir immer wieder begegnen werden. Intervalle können nacheinander auftreten oder gleichzeitig (Doppelgriff). Es ist sehr wichtig, dass du lernst, sie gleich mit den Augen als Bild zu erkennen, damit du nicht einzelne Notenlinien abzählen musst.

7. West: Tongruppen und Bögen

Dass Melodien bestimmte Bewegungsrichtungen haben (auf, ab, Wiederholung, Sprung), hast du schon gelernt. Aber sie gehen nicht in Einzelschritten voran, sondern bilden kleinere und größere Gruppen. Viele Gruppen! Wenn du erst ein paar kennen gelernt hast, wirst du dich wundern, wie viele Gruppen und Grüppchen, Geschwister, Mannschaften, Teams, Vereine oder Familien in den Noten zu finden sind. Es sind so viele, dass man sie unmöglich alle aufzählen kann. Und jeder Komponist erfindet neue!

Auch die Bindebögen (Legatobögen) zeigen, welche Töne zusammengehören. Die Töne unter einem Atembögen dürfen nicht getrennt werden, sie müssen klingen wie ein lang gesungenes „Aaaah“, wie ein fließender Strom. Es gibt kleinere oder größere Bögen.

  • Informationen findest du unter legato

8. Nordwest: Das Noten-System

Im Notensystem sind die wichtigsten Informationen über die Musik enthalten. Du kannst nicht nur lesen, welche Töne du spielen sollst, und wie sie zusammen klingen sollen, sondern auch, wie lange sie dauern, an welcher Stelle sie im Taktmetrum stehen, wie laut oder leise sie klingen sollen, zu welcher Tongruppe gehören und an welcher Stelle (Anfang, Mitte oder Ende), in welcher Tonart und Taktart das Stück steht, in welcher Geschwindigkeit und mit welchem Ausdruck (Gefühl) es gespielt werden soll, und welche Form das Stück hat. Das steht alles in den Noten!

Deshalb genügt es nicht, nur die Stammtöne zu lernen. Auch an diesem letzten Punkt, auf Nordost, solltest du also öfter vorbeisegeln und nach jedem Besuch wieder neues Wissen mit nach Hause nehmen. Gute Reise!

Informationen und Aufgaben findest du hier:

Hilfsmittel zum Noten lernen

Es gibt viele Methoden und Hilfsmittel, die versprechen, das Notenlesen zu erleichtern. Aber helfen sie wirklich? Stelle dir einmal vor, du würdest an jedes Ding in deinem Zimmer einen Zettel anbringen, auf dem der Name steht, und du müsstest immer erst den Zettel lesen, bevor du einen Ball oder einen Stift in die Hand nehmen kannst. Das wäre doch ganz schön umständlich, oder? Die Hilfsmittel haben alle ihre Grenzen und führen darum irgendwann in eine Sackgasse. Keines dieser Hilfsmittel ist besser als die Noten selbst. Die Wahrheit ist:

Die meisten Hilfsmittel erleichtern nicht das Notenlesen, sondern sie verhindern das Notenlesen.

Tiere

In vielen Klavierschulen für kleine Kinder werden Tiere als Hilfsmittel zum Notenlernen eingesetzt. Sie sind sympathisch und die Kinder können die Töne als lebendige Wesen verstehen und eine emotionale Beziehung zu ihnen und den Tönen aufbauen. Das ist eine wunderbare Sache.

Zum Beispiel hier: https://klavierspielundspass.de/lernen/klaviernoten-fuer-kinder/

Sobald du aber mit dem Notenkompass beginnst, müssen die Tiere leider draußen bleiben, weil die Noten keine einzeln Wesen sind, sondern sich zu Gruppen zusammentun und Beziehungen bilden, so ähnlich wie Wörter.

Farben

Farben sind für jüngere Kinder sehr hilfreich in Verbindung mit der Relativen Solmisation und einer Vor-Notation (1 oder 3 Linien). In der Relativen Solmisation haben die Töne immer die gleiche Beziehung zueinander. Gleiche Melodien können auf verschiedenen Tönen und in verschiedenen Lagen gespielt werden, ohne dass sich die Abstände und die Beziehungen der Töne ändern.

Bei der absoluten Notation helfen Farben leider überhaupt nicht. Wenn man die Farben auf die weißen Tasten kleben würde oder die Noten mit den Farben der Solmisation bunt anmalte, würde man ganz schön durcheinander kommen, denn die traditionellen Noten sind nicht mehr relativ, sondern absolut. Absolute Noten sind ein ganz anderes System!

Beispiel: Du hast dir gemerkt, dass der Ton G die Farbe gelb hat. Wenn du nun in deinen Noten eine Note G gelb anmalst, welche Taste musst du dann spielen? Es gibt ja 7 verschiedene Tasten mit dem Tonnamen G: Kontra-G, Großes G, kleines g, g‘, g“, g“‘, g““. Wie willst du die 7 mit nur einer Farbe unterscheiden?

Bitte keine Farbkreise auf die weißen Tasten kleben!
Bitte nicht die traditionellen Noten bunt anmalen!

Eine Möglichkeit wäre ein Solmisations-Lineal, auf dem die Silben der Relativen Solmisation mit ihren Farben im passenden Abstand zu sehen sind. Dieses könnte man dann als Transponierhilfe (Versetzen in andere Lagen) benutzen. Doch da die Relative Solmisation zuallererst eine Hörerziehung ist, wäre so ein Lineal nicht zielführend, es würde nur wieder vom Hören ablenken.

Notensticker auf die Tasten kleben

Das sind kleine transparente Noten-Aufkleber, die für das Keyboard/E-Piano gedacht sind, weil man sie von den Plastiktasten relativ leicht wieder abbekommt.

Auch wenn es sehr verlockend aussieht und man denkt, dass man damit leichter Noten lernen kann, stimmt es nicht. Ganz im Gegenteil! Es beruht auf der Buchstabiermethode, mit der ein Symbol ein isoliertes Tastendrück-Ereignis auslösen soll. Das Suchen der Tasten mit den Augen ist ein Umweg, der viele Umschaltfunktionen im Gehirn erfordert und deshalb auch zu langsam ist. Es wird verhindert, die Noten in ihren Sinnzusammenhängen zu erleben und es wird auch verhindert, dass man sich das Spielgefühl auf den Tasten einprägt.

Tastaturschablone

Für die Tastaturschablone gilt das Gleiche wie für die Notensticker. Wenn Noten und Tasten mit Hilfsmitteln isoliert als einzelnes Ereignis gesehen werden, wird man nicht lernen, flüssig Noten zu lesen und die Musik auf dem Papier zu verstehen. Und man traut sich meistens auch nicht, die Schablone wieder wegzunehmen, denn dann müsste man ja anfangen, richtig Noten zu lesen! Also verschenkt man damit nur Zeit und Geld.

Mit einer Tastaturschablone lernt man das flüssige Notenlesen genau so wenig wie mit Zahlen oder Buchstaben oder Tieren oder Farben oder Aufklebern.

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